Schiffsfinanzierungen

Deutsche Reeder halten mit 3.827 Schiffen die drittgrößte Handelsflotte der Welt und mit Abstand die größte Containerschiffsflotte (1.759 Schiffe) der Welt. Allein in den letzten zehn Jahren wurden von den aktuell 380 deutschen Reedereien gut 70 Mrd. € in den Aufbau und Erhalt dieser modernen Flotte investiert. (Quelle: VDR/ Daten der deutschen Seeschifffahrt 2013).


Die seit 2008 anhaltende schwerste Schifffahrtskrise der Nachkriegszeit stellt die deutschen Reeder sowohl bei der Bestandsflotte als auch bei der Finanzierung neuer Projekte vor vielfältige Herausforderungen.


In den letzten Jahrzehnten wurden deutsche Handelsschiffe entweder über Fondsstrukturen (Geschlossene Fonds) mit externen Partnern oder als „Reeder-Schiffe“ mit hohem Fremdkapitalanteil (bis zu 90%) über Banken finanziert. Beide Wege sind fast vollständig in Ihrer gewohnten Form zum Erliegen gekommen:


Über Jahrzehnte ein Erfolgsmodell: Schiffsfonds als Finanzierungsinstrument für deutsche Reeder
Bis 2008 waren Schiffsfonds über Jahrzehnte für private oder professionelle Investoren ein hervorragendes Investment und das Finanzierungsinstrument für deutsche Reedereien. Laut einer Performance Studie des Analysehauses FondsMedia aus Hamburg lag die Erfolgsquote für diese Investments vor der aktuellen Krise seit 1969 bis 2008 bei beeindruckenden 92,5% - d.h. über fast 40 Jahre konnten 92,5% aller getätigten Investments mit einer positiven Rendite abgeschlossen werden. Die durchschnittliche Rendite lag dabei seit 1969, trotz eher teuren Fondsstrukturen, im Durchschnitt bei 6,7% p.a. nach Steuern.


Waren diese unternehmerischen Beteiligungen (s.g. KG-Struktur) in der Anfangszeit noch „steuerorientiert“ und damit vor allem für Anleger mit höherem Einkommen interessant, entwickelte sich dieses Investment aufgrund dieser nachhaltig hervorragenden Performance auch nach dem Wegfall der auf Abschreibung (Afa) basierenden Steuervorteile zum nachgefragten Massenprodukt, dass auch großflächig durch Banken und Sparkassen als Investment für Ihre Kunden angeboten wurde. Spezialisierte Emissionshäuser kümmerten sich hingegen um die Strukturierung der Fonds und den Vertrieb der Beteiligungen. Die Reedereien übernahmen dabei das Management und die Projektierung. Oft betreiben Reedereien auch eigene Emissionshäuser oder umgekehrt.


In der Hochphase des Marktes konnten allein im Jahr 2007 über diesen Finanzierungsweg Projekte mit einem Investitionsvolumen von über EUR 7 Mrd. realisiert werden (Quelle: Scope Jahrbuch Geschlossene Fonds) und stellten damit ein ausreichend großes Finanzierungsinstrument für den Markt dar. Rückblickend betrachtet war diese gute Verfügbarkeit von Kapital auch ein Faktor für die heutigen Überkapazitäten im Markt – wobei zu bemerken ist, dass diese Überhitzung der Märkte ein internationales Problem der Branche war.


Auch die finanzierenden Banken stuften Schiffsinvestments bzw. Kredite aufgrund jahrzentlanger positiver Erfahrung als eher risikoärmeren Kredit ein und vergaben bereitwillig großvolumige Kredite an deutschen Reeder inkl. attraktiver Finanzierungskonditionen. Auch die deutsche Politik förderte dieses impulsive Wachstum des maritimen Standortes – wie andere Länder in Europa auch – bewusst mit der Einführung bzw. Erhalt der s.g. „Tonnagebesteuerung“, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in diesem internationalen und dynamischen Umfeld zu sichern bzw. zu fördern.
Dieser Finanzierungsweg ist durch die Härte und Dauer der aktuellen Schifffahrtskrise fast vollständig zum Erliegen gekommen. Aufgrund der um bis zu 80 % eingebrochenen Einnahmen (Charterraten) konnte im Extremfall noch nicht einmal die Schiffsbetriebskosten eines Schiffes gedeckt werden. Somit konnten die Schiffsgesellschaften auch Zins- und Tilgungsleistungen nicht an die Bank leisten. Parallel hierzu brachen die Schiffswerte ein, so dass es schnell zu einer Überschuldungssituation der Gesellschaften kam.

Zu Beginn der Krise konnten diese Schiffe noch durch Überbrückungskredite der Bank oder Gesellschafter gestützt werden – später mussten diese jeweils rechtlich eigenständigen Schiffsgesellschaften breitflächig Insolvenz anmelden, bzw. dieser Prozess hält bis heute an.


Nachdem über Jahrzehnte gutes Geld mit der Schifffahrt verdient werden konnte, erlebten nun die Anleger und Investoren erstmals die Risiken einer unternehmerischen Beteiligung und verloren im Extremfall vollständig Ihr eingesetztes Kapital.


Begleitet durch ein wenig differenzierendes Medienecho führte dies zu einem fast vollständigen Erliegen dieses bis dahin etablierten Marktes und Finanzierungsinstruments. Der einst hoch gelobte Schiffsfonds entwickelte sich innerhalb von wenigen Monaten zu einem der unbeliebtesten Fondsprodukte des Marktes.


Die deutschen Reeder sind parallel häufig als Co-Investoren auch direkt von diesen Verlusten betroffen.
Durch den Vertrauensverlust gerade der privaten Investoren ist es absehbar, dass dieses einst etablierte Finanzierungsinstrument für Deutsche Reeder mittelfristig nicht mehr im gewohnten Umfang zur Verfügung steht.


Auswirkungen der Bankenkrise auf die deutschen Reeder
Verstärkt wird diese beschriebene Situation durch die Auswirkungen der Bankenkrise auf die Schiffsfinanzierung:


Bis zum Ausbruch der aktuellen Krise waren spezialisierte deutsche Banken über Jahrzehnte enge und zuverlässige Partner der deutschen Reeder. Sie stellten entweder die Bankenfinanzierung für die Schiffsfonds (im Durchschnitt circa 60 Prozent des Gesamtinvestments) oder vergaben Kredite mit zu 90 Prozent Fremdkapital direkt an die Reederei.


Die großen Kreditportfolios für die Fonds und Reedereien wurden in der Regel über wenige auf diesen Markt spezialisierte deutsche Banken – gerade auch Landesbanken – dargestellt (beispielhaft seien hier als die großen Markteilnehmer die Commerzbank, HSH, Nord LB, Bremer Landesbank oder auch die KfW-Bankengruppe genannt).


Viele dieser schiffsfinanzierenden Banken ziehen sich nun strategisch aus diesem großvolumigen und aktuell notleidenden Kreditgeschäft zurück, um die Herausforderungen der eigenen Bilanzierung zu meistern und regulative Vorgaben zu erfüllen.


Somit werden bei den Schiffsfonds in großer Anzahl Schiffskredite fällig gestellt bzw. diese nicht fortgeführt, was oftmals zu entsprechenden Insolvenzen der einzelnen Gesellschaften zur Folge hat. Die Reedereien verlieren dann in der Regel das Management der Schiffe. Dies kann schnell zu einer existenzbedrohenden Einnahmenminderung für die Reedereien führen. Gerade wenn die Reederei nur eine „Hausbank“ hat, kann es vorkommen, dass eine Reederei innerhalb weniger Wochen ganze Flotten im Management verliert, wenn gerade diese Hausbank einen strategischen Exit aus einem Finanzierungs- oder Flottenpaket sucht. Dies ist gerade ein leiser Prozess, der ganz aktuell in Deutschland passiert. Branchenkenner rechnen als Folge dieser aktuellen Entwicklung mit einer Halbierung der deutschen gut 300, i.d.R. mittelständisch organisierten, Reedereien (!) mit entsprechenden Auswirkungen und Schwächung des deutschen Schifffahrtsstandorts.

Zusätzliche Herausforderung: Schärfere Umweltauflagen ab 2015
Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO hat bereits im Jahr 2008 als Ergänzung des bereits bestehenden Marpol-Übereinkommens neue Grenzwerte für den Ausstoß von Schwefel- und Stickoxide für die Schifffahrt festgelegt. Zusätzlich wurden für die Emissionssondergebiete Ostsee und Nordsee, die „Sulphur Emission Control Areas“ (SECA), strengere Grenzwerte für Schwefel aufgestellt, die 2015 erheblich verschärft werden. In absehbarer Zeit werden auch die Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko Emissionssondergebiete (sog. ECAs) einrichten, in denen der Ausstoß von Schwefel und Stickoxiden begrenzt ist. Weitere Sondergebiete werden folgen, wie zum Beispiel die norwegische Küste oder das Mittelmeer.


Diese Regelungen sind sinnvoll, wurde aber in Ihrer sehr konsequenten Form in den Boom Phasen der Märkte gemeinsam mit den Reedereiverbänden entwickelt und verabschiedet. In der Zeit der nun leeren Kassen stellen Sie den Markt nun vor gewaltige Herausforderungen, da die bestehende Flotte diese neuen Umweltauflagen in der Regel nicht erfüllt und das Geld fehlt, diese Schiffe umzurüsten.


Dieser Umstand wird spätestens ab 2015 zu einer deutlichen Nachfrage nach „Green-Ships“ und auch zu einer „Zweiklassengesellschaft“ getrennt nach alter und neuer Generation der Schiffe führen, die zu deutlich höhere Einnahmen für moderne Schiffe erwarten lassen. Somit kämpft die Branche auf der einen Seite mit starken Überkapazitäten – auf der anderen Seite besteht Nachfrage und Investitionsbedarf nach effizienten und „grünen“ Schiffen.


Die Neubauaufträge für diese Green-Ships sind im aktuellen Marktumfeld zu historischen Tiefstpreisen möglich und somit ist gerade diese „Zeitenwende“ gerade auch für deutsche Reeder eine hervorragende Chance sich mit modernen und umweltfreundlichen Schiffen zu positionieren. Es erfordert aber den Zugang zu Investitions- bzw. Kreditvolumen, um in diesem sich nun stark ändernden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben.


Andere Länder, zum Beispiel unser Nachbarland Niederlande, haben hier schnell reagiert und durch die Wiedereinführung von steuerlichen Anrechnungsmöglichkeiten neue Anreize für Investoren geschaffen, um Ihren Reedern in diesem schwierigen Marktumfeld zu helfen. In Deutschland wurden von Branchenverbänden z.B. auch Kredit- oder Förderungsprogramme der KfW gefordert.


Unsicherheit durch neue gesetzliche Regulierungen durch die BaFin
In der Branche herrscht aktuell noch Unsicherheit, inwieweit bzw. unter welchen Prämissen Reedereien nach der aktuell verschärften Regelungen des Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors eingestuft werden.


Es gibt hierzu zwar ein Auslegungsschreiben der BaFin (Geschäftszeichen WA 41-Wp 2137- 2013/0001) vom 14. Juni 2013, dieses schafft aber durch die Differenzierung auf Grundlage von Beschäftigungskonzepten noch wenig Klarheit.


Die Reeder hoffen hier als operatives Wirtschaftsunternehmen auf eine breite Ausklammerung und schneller Rechtssicherheit Ihrer Investmentaktivitäten. Dies würde zu einer deutlichen Entlastung bei der Partnersuche und Strukturierung in diesem existenzbedrohenden Marktumfeld führen. Alles andere wäre gerade für die durchschnittliche kleinere Reederei eine fast unlösbare Herausforderung.

Die Herausforderung neuer Finanzierungswege
Ein Markt im nun sechsten Krisenjahr schafft Begehrlichkeiten gerade bei professionellen Investoren, die sich auf antizyklische Investitionen spezialisiert haben. Hier treffen in der Praxis milliardenschwere internationale Fonds auf den deutschen Mittelstand. Dies hat auf beiden Seiten in den letzten Monaten zu Lernkurven geführt.


Auf der einen Seite tun sich über mehrere Generationen inhabergeführte Familienunternehmen in vielerlei Dingen mit den Anforderungen und Erwartungen der professionellen Investoren schwer, bzw. sind gerade kleinere Strukturen regelrecht überfordert.


Auf den anderen Seite haben professionelle Investoren verstanden, dass es sich hier um eine hochspezialisierte Branche von Experten handelt, die in der Regel als Familienunternehmen langfristig orientiert in Kombination mit einem hohen Wertesystem agieren.


In den letzten Monaten haben es gerade die großen Reedereien der Branche geschafft, Kapitalgeber für die maritime Branche zu begeistern. Die Renditeerwartungen in diese antizyklischen Investments sind sehr hoch. Es bleibt abzuwarten, wie nachhaltig diese Investoren als neuer Finanzierungspartner für die deutschen Reeder zu Verfügung stehen.


Fazit: Nach sechs Jahren Schifffahrtskrise kämpfen viele der aktuell gut 300 Reedereien um Ihre Existenz. Der Zugang zu Kapital, ob nun Eigen- oder Fremdkapital, ist bei diesem Kampf ein entscheidender Faktor. Die Politik muss sich die Frage stellen, wie wichtig einer Exportnation der Erhalt einer großen eigenen Handelsflotte ist. Soll die bisherige Stellung des maritimen Standortes Deutschland erhalten bleiben, wären es kleine oder größere Impulse, die den deutschen Reedern helfen könnten. Ob es nun spezielle Kreditprogramme für die Finanzierung oder Klarheit bei der Strukturierung von Investments wären. Die Ansätze sind vielseitig.

Kontaktdaten Autor:

Andreas Bernaczek
Geschäftsführer / Managing Director
Jüngerhans Investment Services
eine Tochtergesellschaft der Reedereigruppe Jüngerhans Tel.: 05932-7250-40
Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

www.juengerhans.de


Andreas Bernaczek (Jahrgang 1976) ist gebürtiger Ostfriese und Sohn eines Seefunkoffiziers. Neben Betriebswirtschaft und Immobilienprojektentwicklung studierte er Schiffsfinanzierung an der Frankfurt School of Finance & Management. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann war er in verschieden Bereichen innerhalb einer großen Regionalbank tätig, bevor im Jahr 2002 der Wechsel in die Fondsverwaltung einer Leeraner Reederei und somit der Einstieg in die Schifffahrt erfolgte. Danach wechselte er zu einem der größten Emissionshäuser für Schiffsinvestments in Deutschland und leitete hier zunächst den Innendienst, bevor er im Jahr 2007 als Prokurist in das Management des Emissionshauses berufen wurde. Seit April 2012 verantwortet er als Geschäftsführer den Bereich Investment bei der Reedereigruppe Jüngerhans, die zu den TOP 20 Reedereien in Deutschland gehört.